Europas Wasserwirtschaft setzt auf regenerative Energien
Internationales Expertentreffen in Hemmingstedt / Vertreter europäischer Wasser- und Bodenverbände zu Gast beim Deich- und Hauptsielverband Dithmarschen / Vorträge und Diskussionen über Energiekosten beim Wassermanagement
Hemmingstedt – Das Problem ist an vielen Küsten Europas bekannt: Durch den Klimawandel gibt es mehr Starkregenfälle und mehr Wasser, das auf intelligente Weise in die Meere abgeleitet werden muss. Oft geht es nur noch durch Schöpfwerke, die einen unterschiedlich hohen und daher schwer kalkulierbaren Stromverbrauch vorweisen. Mit diesem Thema befassten sich Experten der EUWMA, dem europäischen Dachverband der Wasser- und Bodenverbände, bei einem Treffen in Hemmingstedt. EUWMA-Präsident Hans-Adolf Boie, Nordermeldorf, und Peter von Hemm, Verbandsvorsteher des Deich- und Hauptsielverbandes Dithmarschen (DHSV) aus Österdeichstrich, hatte die Experten und Verbandsvertreter an die Westküste eingeladen, um in einem englischsprachigen Symposium die dringendsten Problem zu diskutieren und Lösungsvorschläge aufzuzeigen.
Trotz sehr unterschiedlicher Verbandsstrukturen in Europa wurde schnell deutlich, dass die technischen und finanziellen Probleme vergleichbar sind. Letztendlich sind alle Regionen darauf angewiesen, die existenziell notwendigen Schöpfwerke auf möglichst günstige Weise zu betreiben. In der Vorstellung der Initiativen zeigte sich, dass nicht nur in Deutschland ein Umdenken eingesetzt hat, sondern auch in den anderen Mitgliedsstaaten. Immer häufiger werden Erneuerbare Energien eingesetzt, um den nötigen Strom für die wasserwirtschaftliche Technik zu erzeugen. Während hierzulande überwiegend noch Windkraft die Szene beherrscht, wird anderenorts unter anderem auch Solarstrom und Stromerzeugung durch Abwasserwärme eingesetzt. In den Niederlanden sollen zum Beispiel bis zum Jahr 2020 etwa 200 Millionen Euro für Erneuerbare Energien in der Wasserwirtschaft investiert werden.
Wie das funktionieren kann, zeigte der Vorsitzende des Marschenverbandes, Hans-Rudolf Heinsohn, am Beispiel des Projekts „Wind für Wasser“. Dazu lud er die Expertengruppe nach Wesselburener Deichhausen ein, wo zurzeit zwei von insgesamt sechs Windkraftanlagen in Betrieb genommen wurden. Vier Anlagen in Norddeich produzieren seit ca. fünf Jahren Strom.
„Mit dem Projekt sind erstmals in Schleswig-Holstein Maßnahmen zur Regenwasserbewirtschaftung der Landschaft mit regenerativen Energien gekoppelt worden. Auf diese Weise soll langfristig die Gewinnung der Energie gesichert werden, die benötigt wird, um die Schöpfwerke in der Region zu betreiben“, erklärte DHSV-Geschäftsführer Matthias Reimers vor Ort.
Der Marschenverband sieht sich mit dem Vorhaben in einer langen Tradition: Bereits seit Jahrhunderten wird Windkraft genutzt, um Wasser aus den niedriger liegenden Flächen hinter die Deiche oder Schleusen zu pumpen. In früheren Zeiten wurden dazu Windmühlen mit Direktantrieb zu Pumpen oder Schaufelrädern konstruiert. Heute hingegen geschieht die Regenwasserbewirtschaftung über den „Umweg“ der Stromerzeugung.
Ein weiteres Beispiel für die Optimierung von Stromverbrauch und wasserwirtschaftlicher Technik ist im Modellprojekt „Schöpfwerk Kudensee“: Durch die Integration in das Virtuelle Kraftwerk Next Pool profitiert der Schöpfwerksbetreiber von wetterbedingten Preisdifferenzen an der Strombörse. Denn das Virtuelle Kraftwerk beliefert das Schöpfwerk Kudensee nicht nur mit Strom, sondern gibt diese Preissignale vollautomatisch an das Steuerungssystem der Wasserpumpen weiter und verlagert so den Stromverbrauch des Schöpfwerks in die günstigsten Viertelstunden, etwa wenn viel Windstrom in den Netzen ist und die Preise an der Strombörse entsprechend niedrig sind.
Die Experten der EUWMA sowie Vertreter des Deich- und Hauptsielverbandes Dithmarschen werden am Fuß der Windkraftanlage des Projekts „Wind für Wasser“ in Wesselburener Deichhausen über Details durch die Planer Michael Schmidt und Peter Looft informiert. (Foto: DHSV/Kienitz)